Hans Thiersch

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Hans Thiersch (re) in der Diskussion mit Björn Kraus; 2016 in Freiburg/Br.

Hans Thiersch (* 16. Mai 1935 in Recklinghausen) ist ein seit 2002 emeritierter Professor für Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik an der Universität Tübingen. Thiersch hat Ende der 1970er-Jahre den Begriff der Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit geprägt.

Thiersch studierte Philologie, Philosophie, Theologie und Pädagogik. 1961 wurde er wissenschaftlicher Assistent von Heinrich Roth an der Universität Göttingen. Von 1967 bis 1970 war er Professor an der Pädagogischen Hochschule Kiel. Von 1970 bis zu seiner Emeritierung 2002 war er Professor für Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik an der Universität Tübingen.

Er ist verheiratet, das Paar hat vier Kinder.

Arbeitsschwerpunkte

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Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Theorie der Sozialpädagogik, alltagsorientierte Sozialpädagogik, welche er begründete, Beratung und Heimerziehung. 1970 promovierte er zum Dr. phil. Von 1978 bis 1982 war er Mitglied des Vorstands und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE). Er ist Mitglied im Kuratorium des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Jugendinstituts in München, Mitglied der Sachverständigenkommission des 8. Jugendberichts (1990), Vorsitzender der Jugendhilfeeinrichtung „Tübinger Verein f. Sozialtherapie – Martin-Bonhoeffer-Häuser e. V.“ und Vorstandsmitglied der „Drogenhilfe Tübingen e. V.“.

Sein Konzept der Lebensweltorientierung wurde besonders in den 1990er-Jahren in den Theorien sozialer Arbeit strukturbildend. Alternativ verwendet er den Begriff der Alltagsweltorientierung. Hans Thiersch ist seit 1977 Mitherausgeber der Zeitschriften Neue Praxis und Sozialwissenschaftliche Literaturrundschau.

Vorgebliche Beteiligung am „Kentler-Netzwerk“

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Im Februar 2024 legte im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in Berlin eine Autorengruppe der Institute für Sozial- und Organisationspädagogik sowie Erziehungswissenschaft der Universität Hildesheim[1] einen Ergebnisbericht zum Forschungsprojekt „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe“ vor.[2] Zu den Erkenntnissen der Untersuchungen gehört dabei auch die Aufdeckung eines als Akteursnetzwerk bezeichneten Kontaktes untereinander, durch das pädokriminelle Handlungen umgesetzt, geduldet, arrangiert und legitimiert worden seien.[3] Im Bericht wird dabei auch Hans Thiersch als Mitglied des Netzwerkes um den Sexualpädagogen und Pädophilen Helmut Kentler genannt.[4] Der dabei verwendete Netzwerkbegriff kann in der Folge veröffentlichten wissenschaftlichen Auseinandersetzungen[5][6][7] die Frage nach einer Zugehörigkeit Thierschs zu der genannten Gruppe nicht beantworten.[5] Die Autoren der Untersuchung resümieren auf Basis von Aufsätzen der 70er Jahre (u. a. Thiersch zugeschriebener Herausgeberschaft) zudem: „Durch gemeinsame Publikationen und Positionierungen in fachwissenschaftlichen Diskussionen geben Akteure des Netzwerks wie Hans Thiersch und Herbert E. Colla-Müller Pädophilie legitimierenden Positionen und Personen einen Raum.“[8][A 1] Des Weiteren wird der Vorwurf geäußert, Thiersch soll als zentraler Akteur der sogenannten „Heimreform“ zur Bildung eines „zentralen Verdeckungsmodus“ für pädophile Übergriffe beigetragen haben.[9] Der Nachweis dafür bleibt aus.[10]

Schriften (Auswahl)

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  • Kritik und Handeln, Neuwied 1977
  • Die Entwicklung der Erziehungswissenschaft (m. U. Herrmann u. H. Rupprecht), Weinheim 1978
  • Die Erfahrung der Wirklichkeit, Weinheim 1986, 2. Auflg. 2006
  • Deutsche Lebensläufe in Autobiographien und Briefen (m. Walter Jens), Weinheim 1987
  • Lebensweltorientierte Soziale Arbeit, 1992, 7. Auflage, Weinheim 2009
  • Lebenswelt und Moral, Weinheim 1995
  • Positionsbestimmungen der Sozialen Arbeit, Weinheim 2001
  • Sozialpädagogisches Denken. Wege zu einer Neubestimmung (m. L. Böhnisch und W. Schröer), Weinheim 2005
  • Die Stimme der Adressaten. Empirische Forschung über Erfahrungen von Mädchen und Jungen mit der Jugendhilfe (m. Maria Bitzan und Eberhard Bolay), Weinheim und München 2006
  • Spiegelungen. Lebensweltorientierung und Lebensbewältigung. Gespräche zur Sozialpädagogik (m. L. Böhnisch), Weinheim und Basel 2014
  • Soziale Arbeit und Lebensweltorientierung. Gesammelte Aufsätze. Weinheim und Basel 2015
    • Bd. 1: Konzepte und Kontexte
    • Bd. 2: Handlungskompetenz und Arbeitsfelder

Herausgeberschaften

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  • Handbuch Sozialarbeit/Sozialpädagogik (m. H. Eyferth u. H.-U. Otto), 1984 2., völlig neu bearbeitete Aufl. (m. H.-U. Otto), Neuwied 2001, 4. völlig neu bearbeitete Aufl. (m. H.-U. Otto), Ernst Reinert Verlag, 2011
  • Gerechtigkeit und Selbstverwirklichung (m. B. Müller), Freiburg 1987
  • Die herausgeforderte Moral (m. Th. Rauschenbach), Bielefeld 1987
  • „Überall in den Köpfen und Fäusten“ – Auf der Suche nach Ursachen und Konsequenzen von Gewalt (m. J. Wertheimer u. K. Grunwald), 1994
  • Praxis der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit (m. K. Grunwald), Weinheim 2004
  • Zur Identität der sozialen Arbeit (Treptow, R), Sonderheft 10 der Neuen Praxis, 2011
  • Hans Thiersch. In: H. Heitkamp, A. Plewa (Hrsg.): Soziale Arbeit in Selbstzeugnissen. Freiburg 2002, S. 373 ff.
  • Stürmischer Aufbruch und allmähliche Profilierung. In: H.-G. Homfeldt (Hrsg.): Soziale Arbeit im Dialog ihrer Generationen. Hohengehren 1999, S. 22 f.
  • Cornelia Füssenhäuser: Werkgeschichte(n) der Sozialpädagogik: Klaus Mollenhauer – Hans Thiersch – Hans-Uwe Otto. Hohengehren 2005
  • Josef Scheipl: Anmerkungen zu einem (bewusst?) unvollständig gehaltenen Bericht. In: Zeitschrift für Sozialpädagogik 2/2024. 12. August 2024, ISSN 1610-2339, S. 198, doi:10.3262/ZFSP2402196.
  1. Diese auf Karl-Heinz Ignatz Kerscher bezogene Aussage wird von Scheipl (Seite 198) als tendenziös bezeichnet.
  1. Meike Baader, u. a.: Ergebnisbericht „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“. In: Publikationsserver der Universität Hildesheim. Universität Hildesheim, 23. Februar 2024, S. 7, abgerufen am 12. September 2024.
  2. Meike Baader, u. a.: Ergebnisbericht „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“. In: Publikationsserver der Universität Hildesheim. Universität Hildesheim, 23. Februar 2024, S. 27 & 34, abgerufen am 26. Februar 2024.
  3. Meike Baader, u. a.: Ergebnisbericht „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“. In: Publikationsserver der Universität Hildesheim. Universität Hildesheim, 23. Februar 2024, S. 9, abgerufen am 29. August 2024.
  4. Meike Baader, Nastassia Böttcher, Carolin Ehlke, Carolin Oppermann, Julia Schröder, Wolfgang Schröer: Ergebnisbericht „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“. 2024, S. 15, doi:10.18442/256 (uni-hildesheim.de [abgerufen am 1. August 2024]).
  5. a b Kappeler, Manfred; Struck, Norbert: Aufklärung verlangt Respekt – vor Fakten und Personen! 2024 (pedocs.de [abgerufen am 16. Juli 2024]).
  6. Michael Winkler: Zeitschrift für Sozialpädagogik ZfSp. Causa Hildesheim. Hrsg.: Christian Niemeyer. Nr. 2. Beltz Juventa, 2024, ISSN 1610-2339, S. 203.
  7. Josef Scheipl: Anmerkungen zu einem (bewusst?) unvollständig gehaltenen Bericht. In: Zeitschrift für Sozialpädagogik 2/2024. 12. August 2024, ISSN 1610-2339, S. 196–202, doi:10.3262/ZFSP2402196 (beltz.de [abgerufen am 29. August 2024]).
  8. Meike Baader, u. a.: Ergebnisbericht „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“. In: Publikationsserver der Universität Hildesheim. Universität Hildesheim, 23. Februar 2024, S. 27, abgerufen am 26. Februar 2024.
  9. Meike Baader, u. a.: Ergebnisbericht „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“. In: Publikationsserver der Universität Hildesheim. Universität Hildesheim, 23. Februar 2024, S. 34, abgerufen am 26. Februar 2024.
  10. Norbert Struck, Friedhelm Peters: Es gibt Formen der „Aufarbeitung“ von sexualisierter Gewalt, die man in solcher Form besser unterließe ... In: Forum Erziehungshilfen. Nr. 3, 12. August 2024, ISSN 0947-8957, S. 131–131, doi:10.3262/FOE2403131 (beltz.de [abgerufen am 12. September 2024]).